die chefsache

17. Juli 2013

Die Zeit, die Zeit…sie rinnt!

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 20:35

Gerade hab ich meiner Mutter über Skype zugewunken (nachdem sie den Finger von der Linse genommen hatte) und die hat mich wiederum daran erinnert, dass ich seit fast 10 Tagen nichts mehr von mir hab hören lassen. Große Schande, große Schmach!

Also werde ich versuchen, die Ereignisse dieser halben und der letzten ganzen Woche einmal kurz zusammenzufassen. Was nicht weiter schwerfallen wird, denn so viel besonderes ist gar nicht passiert – keine gestoppten Züge, kein Rock’n’Roll, dafür aber ganz viele Erdbeeren.

Zu Beginn des zweiten Kursmoduls gab es ein paar personelle Veränderungen: Stefan aus der Schweiz hatte uns bereits wieder in Richtung jener Berge verlassen, auf denen auch tatsächlich Schnee liegt, dafür durften wir aber Antonis aus Griechenland, Torben aus Deutschland und Niamh aus Irland in unserem quadratischen Lernkreis begrüßen. Dessuten (wie gesagt, mein Sprachzentrum hat seine Mauern eingerissen, ganz schön witzig und nervig und lehrreich) bekamen wir eine neue Lehrerin: Solveig aus dem Norden. Sehr nett, sehr kompetent! Und so flog die Unterrichtswoche wie gewohnt dahin, die Zeit rinnt durch die Finger und das Norwegisch durch den Schädel. Und es macht einfach immer noch großen Spaß (und wenn ich das so sagen darf, ich bin auch ganz erfolgreich), diese SpracheBild zu lernen.

Genauso viel Spaß macht das Wetter, denn die ganze letzte Woche schien die Sonne, ich bin endlose Meilen durch die Stadt gelaufen, mit der Norwegischklasse Boot gefahren und im Meer gestanden, und hab im wunderschönen Frognerparken die Vigelandschen Skulpturen bewundert. Meine Favoritin war die Dame, die verrückte Sachen mit ihren Haaren anstellt, und eine nette Touristin war zum Glück auch bereit, mich in ähnlicher Pose neben dem Mädel zu fotografieren.

Ich bin nicht nur ganz viel gelaufen, sondern auch ganz viel Bahn gefahren, so ein Ticket muss man schließlich ausnutzen. Herrje, werd ich das vermissen.

Von Mittwoch bis Sonntag war ich zudem allein im Haus, und während Marlis und Trond ein paar Tage auf der (hoffentlich) ähnlich sonnenbeschienenen Hütte verbracht haben, hab ich die Blumen geknuddelt und die Katze gegossen. Oder andersrum. Jedenfalls ist die Katze satt geworden, die Blumen hatten genug Wasser und die Erdbeeren konnten geerntet werden – Sommer in Oslo, was will man mehr!

Und jetzt bin ich plötzlich schon in der letzten Kurswoche, morgen ist mein letzter Unterrichtstag und am Freitagmorgen schwänz ich den Kurs und flieg nach Deutschland. Ist das verrückt? Ja, das ist verrückt!

Immerhin haben wir heute noch einen letzten Ausflug gemacht, der Sonne entgegen und das Flussufer (Akerselva) entlang. Und morgen werd ich dann die größte Zeit des Tages in der Küche verbringen und ein Dankesdinner vorbereiten – ganz nach meinem liebsten Motto: Sag es mit Essen. Sag es mit Gekochtem. Mit Gebackenem. Sag es vegan. Wie auch immer, das wird lecker, sag ich! Wenn nichts anbrennt.

Wir sehen uns in Tyskland, Freunde!

8. Juli 2013

Einmal nordwärts und zurück

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 14:43

Am Freitag endete das erste Modul meines Anfängersprachkurses, kaum zu glauben. Und da ich bis dahin auf meinem mittlerweile schon recht zerfledderten Interrailticket noch immer zwei freie Reisetage hatte, beschloss ich, mein Wochenende in Trondheim zu verbringen.

So stieg ich also am Freitagmittag um 14 Uhr in einen Zug, den ich etwa 7 tolle Stunden (so langsam dürfte jeder über meine Zugfahraffinität bescheid wissen) wieder verließ – welcome to Trondheim. Auch hier wollte ich wieder couchsurfen, und so ließ ich mir von meiner Couchgeberin Mika aus Schweden am Telefon den Weg zu dem wunderschönen Restaurant erklären, in dem sie arbeitet. Während sie also munter kellnerte, machte ich es mir auf der komplett menschenleeren, hölzernen Terrasse direkt über dem Fluss und mit Blick auf die berühmten alten Speicherhäuser bequem und ließ mir einmal mehr durch den Kopf gehen, wie schön doch das Leben ist. Vor allem wenn man auch noch gratis Champagner und Nachtisch bekommt, weil man den coolsten Host der Welt hat.

Trondheim ist ein ganzes Stück weiter im Norden als Oslo, und so war es wirklich TAGhell, nicht mal dämmerig, als wir gegen Mitternacht aus dem Stadtzentrum heraus und einen kleinen Hügel hinauf liefen, um zu Mikas Wohnung zu gelangen. Eine ihrer Mitbewohnerin ist gerade unterwegs und die andere noch nicht eingezogen, also hatte ich sogar ein Zimmer mit Matraze für mich allein. Wir saßen noch ein bisschen auf der Couch und unterhielten uns munter über das Reisen, bis ich schließlich versuchte, die Helligkeit zu ignorieren und mit Erfolg 8 Stunden durchschlief!

Samstagmorgen war es nicht nur hell, sondern auch sonnig. Und so blieb es auch den ganzen Tag, das Wetter war einfach der Wahnsinn! Mika, die nichts anderes zu tun hatte, zeigte mir die ganze Stadt. Sie führte mich hoch zur Kristiansen-Festung mit Blick auf die Uni, die sehr an Hogwarts erinnert. Und durch die Altstadt mit dem laut National Geographics gemütlichsten Café Skandinaviens und den Speicherhäusern und Kopfsteinpflaster und dem ersten Fahrradlift der Welt, der ständig von Touristengruppen belagert ist, die wie die Geier mit gezückten Kameras auf einen Fahrradfahrer warten. Und nach Ila, ein kleines buntes Viertel direkt am Wasser (mittlerweile hab ich auch alle bekannten Kreuzfahrtschiffe dieser Welt schon gesehn), in dem man sich fühlt wie zwischen den Seiten eines Astrid-Lindgren-Buchs. Und durch schöne kleine Straßen, über Brücken, entlang der vielen Bars von Solsiden (der sonnigen Seite) und durch etliche Parks, überhaupt ist die Stadt wunderbar grün und hat nicht nur ein schönes Fjordufer, sondern auch einen malerischen Fluss mittendrin. Und natürlich waren wir auch am und im berühmten Nidarosdom – Nidaros ist der frühere Name der Stadt, die vor einigen Jahrhunderten von König Olav Tryggvason (jupp, der mit dem Gold im Saale) als erste Stadt Norwegens gegründet wurde. Der Dom allerdings war lange Zeit eine Pilgerstätte für König Olav Haraldson (der Heilige), der ob vieler Wundertaten verehrt wurde. Man zahlt zwar Eintritt (damit wird wohl grade der Orgelumbau finanziert) und darf nicht fotografieren, aber es lohnt sich allemal, denn die hohe gotische Kirche ist von sehr einnehmender Mystik. Für 30 Kronen zusätzlich (auch hier bin ich mal wieder Student) durften wir um 11.30 Uhr auf den Turm hoch. Meine Verwunderung darüber, warum dies nur zu festen Zeiten möglich ist, klärte sich alsbald auf, kurz nachdem eine der Angestellten (mir fällt grad kein besseres deutsches Wort ein) im schicken roten Umhang uns nach etwaigen Herzkrankheiten gefragt hat. Die in Stein gehauene Wendeltreppe nach oben ist nämlich in der Tat nichts für schwache Nerven, anfällige Kreisläufe und breite Hüften. Will sagen: so eng, dass mir kein würdiger Vergleich einfällt! Aber wir haben’s nach oben geschafft, einen wundervollen Ausblick über die ganze Stadt, die umliegenden Berge und den Fjord genossen, und auch den Weg nach unten ohne Steckenbleiben und Genickbruch überstanden. FUNFACT: Bei einer der Restaurationen des Doms verpasste man dem Engel auf der Spitze des linken vorderen Turms das Gesicht von Bob Dylan.

Während unseres langen Spaziergangs durch Trondheim hatten Mika und ich viele spannende Gespräche, deshalb war ich schon fast traurig, als sie zur Arbeit musste und ich meine Stadterkundung auf die eigentlich gewohnte Art fortsetzen musste – alleine. Aber so trank ich unschlagbar billigen Kaffee im unschlagbar schönsten Café der Welt – dem Antiquariat-Bücherbar-Musikcafé, das zu toll zum beschreiben ist, geht einfach selbst hin. Und nachdem ich mich in einem zufällig entdeckten Bio-Öko-Vegan-Laden (unfassbar, sowas gibt’s also DOCH in Norwegen!!!) mit Proviant für die Heimreise eingedeckt hatte, lief ich kilometerlang einmal um die nördliche Landzunge herum, von der aus man einen wundervollen Ausblick auf den Fjord haben kann – wenn man den Aussichtspunkt findet. Kein weiterer Kommentar.

Nach einem langen, schönen Tag zu Fuß war ich am Abend doch recht müde und so schlief ich mal wieder wie ein Stein – was mir sonntags noch zu Gute kommen sollte.

Ich verabschiedete mich also von Mika, die ich definitiv irgendwann wieder besuchen muss, und machte mich auf den Weg zu meiner letzten Destination in dieser Stadt. Und das war, Trommelwirbel: ROCKHEIM. Das mit Abstand geilste Museum, in dem ich je war und das in Sachen Interaktivität seinesgleichen sucht. Hier wird die Geschichte der norwegischen Populärmusik von den 50ern bis heute mit viel Liebe zum Detail und vor allem für’s Ohr anschaulich, spannend und einfallsreich präsentiert, es gibt unglaublich viel zum Draufdrücken und Selbstmachen. Eine Instrumentenwand, einen Jam-Session-Room, eine Black-Metal-Kammer, toll gestaltete Räume für die verschiedenen Jahrzehnte, wechselnde Ausstellungen, ganz viel Musik Musik Musik – der Himmel. Spätestens jetzt muss ich jedem empfehlen, sich auf den Weg nach Trondheim zu machen.

Aber nicht nur für Rockheim, sondern auch weil – jetzt kommt’s – Trondheim meiner auf wohl gezogenen Vergleichen basierenden Meinung nach die schönste Stadt Norwegens ist. Ganz recht, ich fand Trondheim sogar noch schöner als die von Touristenführern so umschwärmte Stadt Bergen. Jetzt seid ihr sprachlos, Redakteure von Lonely Planet und Marco Polo!

Vielleicht spielten deshalb ja auch übernatürliche Kräfte mit, als sich meine Heimreise nach Oslo schwieriger gestaltete als erwartet. Zunächst ging alles gut, ich fuhr gemütlich ab viertel vor 2 am Mittag von Trondheim bis nach Hamar, wo ich in meinen Zug nach Oslo umsteigen musste. Doch nach fünf Minuten in diesem ziemlich vollen Zug kam die Durchsage, dass wir aufgrund Fehlern auf der Strecke ab Tangen nicht mehr weiterkönnen und alle Passagiere gebeten werden, den Zug zu verlassen und auf alternative Transportmittel zu warten oder besser gesagt zu hoffen. Auch wenn ich ein bisschen stolz darüber war, die Durchsage zu verstehen, fand ich sie dann doch nicht so geil. Tangen ist nämlich irgendwo im Nirgendwo, um das mal ein bisschen zu lokalisieren.

Und in dieses Nirgendwo gelang es NSB (der norwegischen Bahngesellschaft) nicht, Busse oder Taxis herzubefördern. Wohl auch deshalb, weil alle Schienenersatzverkehrsbusse bereits seit längerem auf einer anderen Strecke im Einsatz sind, die Anfang des Sommers überflutet war. Und so kam zwar nach einiger Zeit ein kleiner Van für diejenigen, die zum Flughafen mussten, aber alle anderen, schätzungsweise vielen (ich kann nicht schätzen), Passagiere ließen sich weiterhin häuslich auf dem Bahnhofsparkplatz nieder. Ich hatte glücklicherweise Gesellschaft von einem Becher Blaubeeren, den ich mir in Trondheim am Bahnhof gekauft hatte, und einer netten Deutschen, die in Schweden studiert und gerade eine Reise durch das Nachbarland unternimmt. Für’s Protokoll: Wir waren um 20:22 Uhr in Tangen gestrandet. Zwei organisierte Busse kamen gegen 22:45 Uhr. Leider waren die nicht genug und ziemlich schnell voll (auch mit Leuten aus einem zweiten Zug, der gerade erst angekommen war). Und so kam es, dass ich um 23:15 endlich in einem übermäßig klimatisierten, megamäßig modernen Bus saß, inklusive Bildschirm mit Video der Fahrbahn vor uns (jupp, war noch hell). Und gegen kurz vor halb 2 Uhr in der Nacht war ich dann im inzwischen sogar mehr oder weniger dunklen (das ist ja wohl Hinweis genug auf die Tatsache, dass es ganz schön spät war) Oslo, von wo aus leider auch keine U-Bahn mehr nach Røa fuhr. Also schmiss ich mich auf den Rücksitz eines Taxis, dessen Fahrer zwar sehr nett war und mit mir ein lustiges Gespräch über deutschen Fußball und norwegische Verkehrsbetriebe führte, aber trotzdem keine Rechtfertigung für das VERMÖGEN an Geld für diese zwanzigminütige Fahrt darstellte. Naja, soll die NSB bezahlen.

Und so war ich nach gut 12 Stunden Reisezeit um kurz vor 2 endlich im Bett. Und müde. Aber glücklich, denn ich hatte ein tolles Wochenende in einer tollen Stadt verbracht, tolle Menschen kennengelernt und eine tolle Erfahrung gemacht: nämlich dass es in Norwegen nicht halb so anstrengend ist wie in Deutschland, wenn’s Probleme auf der Zugfahrt gibt. Und zwar ganz einfach deshalb, weil niemand Stress macht oder aggressiv wird oder irgendwen verklagen will oder verärgerte Gesichter zieht. Sondern weil man es ganz entspannt nimmt – Nordmenn tar det med ro! Gute Nacht!

2. Juli 2013

Skandinavien wie im Hochglanzbildband

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 17:39

Etwa genau dort habe ich mein Wochenende verbracht. Marlis und Trond besitzen (wie, so schien es mir, ungefähr alle anderen Norweger auch) eine kleine Ferienhütte auf einer Insel namens Sandøya im Fjord. Um diese Hütte zu erreichen, muss man von Oslo erst 2 Stunden Auto bis nach Brevik fahren und von dort mit einem Motorboot zur Insel übersetzen. Dann führt ein kleiner Holzsteg, von dem aus man wunderbar den Sonnenuntergang betrachten kann (der hier entgegen der üblichen Wortkonnotation NICHT zwingend die Dunkelheit nach sich zieht), auf die grüne Insel, und ein paar bewachsene Stufen weiter oben liegt die wunderschöne, gemütliche Holzhütte mit Blick aufs Meer und auf einen Baum, der das Breviker Zementwerk clever verdeckt.

Neben ein paar Bootstouren um all die kleinen Inselchen und in Richtung offenes Meer und zum Leuchtturm (Virginia Woolf) und zum Vogelfelsen, wo all die Möwen sind (Pfadfinderlied), haben wir auch eine Tour an Land gemacht. Denn Sørland (Norwegen ist in fünf sogenannte Lansdeler unterteilt, quasi Süden, Osten, Westen, Mitte und gaaanz viel Norden) hat entlang seiner Küste ganz viele süße kleine Städtchen mit weißen Holzhäusern und bunten Hafenpromenaden zu bieten. So waren wir zunächst kurz in Kragerø (wo, wie überall im Sommer, gerade irgendein Festival stattfand) und dann in Risør, wo ein ganz besonderes Festival stattfand: das Kammermusikfestival. Und so kam es, dass wir Glück hatten und sich unser Warten auf freie Plätze in der Optimistenschlange (so nannte sich der Andrang derer, die keine Karten hatten) vor der Kirche gelohnt hat. Wir kamen rein (super schöne Kirche übrigens) und lauschten einer Sonate für Geige und Klavier von Brahms, einem Liedzyklus von Schumann, dem Scherzo aus einer weiteren Brahmssonate mit einem jungen norwegischen Bratschentalent (der Kerl war so alt wie ich) und einem sau schönen Klavierquartett von Schumann. Und im zweiten Teil des Konzerts saß ich ungefähr nen halben Meter vom Flügel weg. Hätt ihn beinahe unbemerkt mitschmuggeln können.

Ich hatte also ein gutes Wochenende an einem unglaublich schönen Flecken Norwegen – andererseits, gibt’s hier überhaupt weniger schöne Flecken? Man weiß es nicht, ich bezweifle es ja fast! 😉

Ein bisschen Friede

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 17:24

Letzte Woche Mittwoch hat’s geregnet. Also hab ich mich als Student ausgegeben und zum ermäßigten Preis das Nobel Peace Centre angeschaut – sehr sehr lohnenswert!

Ich hab bestimmt zwei, drei Stunden dort verbracht. Neben einem fluoreszierenden, beinahe mystischen Raum, in dem man an glühwürmchenartigen Lichtstäben jedem Friedensnobelpreisträger begegnet, und einem interaktiven digitalen Buch über Alfred Nobel, UND einem voll interessanten Museumsshop (ja, wirklich) voller Bücher und Postkarten mit tiefsinnigen Sprüchen von Ghandi über Mandela bis Willy Brandt, sind dort gerade auch zwei Ausstellungen, die sich mit dem aktuellen Friedensnobelpreisträger auseinandersetzen – der Europäischen Union. Zu der Deutschland gehört, seit gestern auch Kroatien, Norwegen allerdings nicht.

Zum einen war da eine Fotoausstellung, für die 12 junge Fotografen aus ganz Europa sich auf verschiedenste Weise mit dem Thema „Europäische Identität“ auseinandergesetzt haben. Da kamen sehr persönliche, sehr kritische, sehr nachdenkliche, sehr beeindruckende, sehr schöne, sehr weniger schöne und vor allem sehr verschiedene Fotostrecken bei raus. Wirklich sehenswert!

Und zum anderen konnte man auf der zweiten Etage, vor deren Treppenaufgang man einen goldenen Saal durchquerte, der die Verkündigung und Preisverleihung des Friedensnobelpreises an die EU in Dauerschleife abspielte, den Werdegang Europas von einem Kontinent des Kriegs zum friedlichen, eng verwobenen Kontinent verfolgen. Ebenfalls super interessant, kein nüchternes Geschichts- oder Politikschulbuch, sondern auch gespickt mit einem Ticken Emotionalität und vor allem vielen Interviews mit den drei EU-Männeken van Rompuy, Schulz und Barroso.

Also, wenn ihr mal in Oslo seid – unbedingt dort reingehen, sehr friedlich, sehr lehrreich. Und bald kommt eine Ausstellung zum Thema Nachhaltigkeit und Ökologie und Essen – genau mein Thema -, für die extra ein Garten auf dem Dach angelegt wird.

Guckstu: http://www.nobelpeacecenter.org/

25. Juni 2013

Snakker du norsk?

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 17:38

Am Montagmorgen war es soweit: der erste Unterrichtstag im Norwegischkurs. Ein bisschen fröhliches T-Bane-Fahren (ich LIEBE U-Bahnen, fast noch mehr als normale Züge und Bahnhöfe, hab ich das schonmal erwähnt?!) und rein ins fröhliche Getummel auf der Karl-Johans-Gata. Direkt um die Ecke an einer Kreuzung befindet sich die Schule von learnnorwegian.no.

Und da sitz ich nun also jeden Tag 4 Stunden im Anfängerkurs Modul 1. Ein Schweizer, ein Peruaner, ein Ghanaer, eine Slowakin, eine Australierin – und eine bescheuerte 19-jährige Deutsche, die einfach mal Norwegisch lernt, „just for fun“. Unser Lehrer ist ein netter junger Kerl namens Anders (wobei Anders ziemlich anders ausgesprochen wird als Anders, nämlich mehr so in Richtung des pfälzischen Worts dafür: „Onnersch“).

Und was soll ich sagen – es macht einfach so unbeschreiblich viel Spaß, endlich mal wieder was zu lernen. Ich hab ganz vergessen, was für eine Freude so ein Sprachunterricht ist, ernsthaft! Ich glaub, ich schlag mich auch ganske bra (immerhin hat Anders mir heute schon angeboten, mir noch Kram aus anderen Büchern zu kopieren, falls mir das andere nicht genug ist :D), jeg lære norsk mer og mer. Und hab ich schon erwähnt, wie viel SPASS das einfach macht? Nein?

Heute sind wir dann nach dem Unterricht durch das wunderbar sonnige Oslo gelaufen, zusammen mit dem Intermediate-Kurs. Wie heißt das auf Deutsch? Der Nachteil an den ganzen Sprachen ist, dass mein Kopf ein bisschen Stress mit dem deutsch-englisch-französisch-norwegisch-italienisch-spanisch-saarländisch-nepali-Auseinanderhalten hat, irgendwann entwickelt sich da bei mir noch ein Nyvictoriansk. Aber was soll’s!

In Grønland, sozusagen das Multikultiviertel Oslos (wobei der Anteil von Grönländern unter den vielen Immigranten sich wohl eher gering verhält), in dem es billiges Obst gibt, bin ich dann auch direkt mal in einen solchen Laden rein. Ganz nach meinem Geschmack: Obst und Gemüse bis zum Umfallen und allerlei türkische, asiatische, fernöstliche, sogar nepalesische Köstlichkeiten, eben alles was ich mag. Obwohl ich heute schon wieder feststellen musste, wie seltsam ich bin, denn während in einem Einkaufszentrum die Mehrheit der Norweger in meinem Alter schnurstracks ins H&M gelaufen ist, musste ich mich schwer vom Kauf wunderschöner Küchenutensilien zurückhalten und bekam beim Anblick von Backformen einen mittelschweren Herzinfarkt. Ich brauch echt mal wieder Kontakt mit Gleichaltrigen! 😀

Ganz stolz bin ich schon darauf, dass ich mich mit den Leuten, die in den überfüllten (weil Sonne!) Fußgängerzonen um Spenden und Mitgliedschaften für Unicef, Amnesty International usw. werben schon auf Norwegisch unterhalten kann. Zwar sag ich ihnen immer nur, dass ich nicht gut Norwegisch kann, aber ist doch auch schonmal was! Und heut hab ich auch nach und nach erfahren, dass es viel spannender ist, sich mit diesen vorwiegend jungen, engagierten Leuten zu unterhalten, sobald sie schon wissen, dass du kein norwegisches Bankkonto hast und ergo nicht in Frage kommst. So viele nette Menschen hab ich deshalb heut schon getroffen! Nur eine Rumänin, die mir eine Zeitschrift verkaufen wollte, um ihre kranken Großeltern und ihre Kinder zu retten, war nicht so glücklich mit meiner „hab-leider-kein-Geld-Aussage“. Sie wollte dann, dass ich ihr wenigstens ne Cola kaufe, aber als ich ihr erzählt hab, dass Cola voll ungesund ist und es in fast allen norwegischen Restaurants Leitungswasser umsonst gibt, is se abgerauscht. Tada!

Wieder alleine auf meiner Parkbank hab ich dann in der Sonne mit dem Geplätscher von Springbrunnen meine Hausaufgaben gemacht (ich freu mich wie’n kleines Kind, dass zum ersten Mal in die Schule geht, über Hausaufgaben, und äh, kling ich eigentlich SEHR streberhaft in diesem Artikel? :D) und bin durch die Gegend und zum Wasser und zur Oper und zur Akerbrygge und noch mehr durch die Gegend flaniert und hab’s einfach nur genossen. Und dann hab ich per Zufall was entdeckt, das diesem wunderschönen Nachmittag noch den letzten Rest Perfektion eingehaucht hat, und es trägt den ganz entzückenden Namen „Vegan Bringebær Muffin“. Das Teil zelebrier ich heut Abend mal als Nachtisch!

Dere ser, jeg er veldig glad i Oslo. Jeg snakker litt norsk allerrede og jeg elsker dette språket! Har det bra!

NACHTRAG: Junge. Dieses Himbeermuffin. DER WAHNSINN!

23. Juni 2013

Von Bergen über grüne Auen

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 15:34

Wenn man einen stimmigen Anfang für einen Artikel oder – wie in meinem Fall – einen Reisebericht finden will, so sucht man immer gern nach passenden, tiefsinnigen Zitaten. Also sagte einmal der deutsche Germanist, Philosoph und Aphoristiker Carl Peter Fröhling (nope, keine Ahnung wer der ist, aber das spielt ja keine Rolle):

„Wo sprudeln dir frischer
die Quellen des Lebens
als auf Reisen,
wenn im Bilderstrom der Welt
du selig dahintreibst.“

Mit genau diesem Plan des Selig-im-Bilderstrom-der-Welt-blablabla im Hinterkopf bin ich am Mittwochmorgen in Lysaker in den Zug gestiegen. Aber nicht in irgendeinen Zug, sondern in den nach Bergen – entlang einer der, wie man sagt, schönsten Bahnstrecken der Welt. Und das kann ich nur bestätigen, ich hab schließlich sechseinhalb Stunden mit offenem Mund und gezückter Kamera am Fenster geklebt und war mehr als selig, als der rote Zug durch Dörfer mit witzigen Namen und die Kiefernwälder und die Seenlandschaften und entlang schneebedeckter Gipfel und glitzernder Gletscher und eisklarer Wasserfälle durch’s Gebirge fuhr und sich nach jedem Tunnel eine völlig neue Natur bot.

Und so brachte dieser Zug mich nach Bergen, die zweitgrößte Stadt Norweges, die im Inneren des Byfjords unmittelbar an der Westküste liegt und die regenreichste Großstadt Europas ist. Nicht besonders gut, wenn man der einzige Tourist ohne Regenjacke und Schirm ist, aber was soll ich sagen – ich bin ein glücklicher Mensch und hab ein paar der wenigen Tage im Jahr erwischt, an denen die Sonne schien und der Himmel sein Wasser für sich behalten hat! Ich verbrachte also zwei wunderschöne Tage in Bergen. Am Hafen, am Fischmarkt (die Anpreisungen der Händler waren bei mir vergeblich), im Festungspark, im alten Hanseviertel Bryggen mit den so bekannten bunten Holzfassaden und tollen verwinkelten Innenhöfen und Verbindungsgassen (und Souvenirläden), auf einer Bank im Park an der Spitze der Landzunge, die den Hafen umschließt, und überall sonst, wo meine Füße mich hintrugen. So schlenderte ich zum Beispiel mutterseelenallein einfach der Nase nach durch ein schönes kleines Viertel voller Holzhäuser und Blumenkästen und Katzen, wo normale Regenjacken-Trekkingschuh-Stativ-Touristen mit ihren Stadtplänen voller farbig durchnummerierter Sehenswürdigkeiten nur hinfinden, wenn sie keine Karten lesen können. Und das ist es ja, was ich in Städten am meisten mag: ohne Plan, einfach drauflos, absichtlich verlaufen. Auf die Art entdeckt man mit ziemlicher Sicherheit schöne und von Reiseführerschreibern unterschätzte Ecken, in denen man dann von der Unicef-Anwerberin mit den Worten „You’re a tourist? Really? You look like a local!“ bedacht wird. Da freut sich mein Weltenbummlerherz! Fast so sehr wie im Gespräch mit missionierenden Mormonen, vor denen ich in die Straßenbahn geflüchtet bin…

Übernachtet hab ich etwas außerhalb von Bergen, in Fantoft (wo man mit ebensolchen Straßenbahnen ganz leich hinkommt), bei Alex aus Holland, der hier einen Job an der Universität hat. Ganz richtig, ich hab’s endlich mal geschafft, irgendwo couchzusurfen! Und das war super, denn Alex hat mir auch noch die Stabkirche in Fantoft sowie irgendein königliches Sommerschloss in einem wunderschönen bunten Park gezeigt. Und noch viel wichtiger: einen atemberaubend schönen Fleck Natur, wo das Licht der tiefstehenden Sonne den Fjord zum Glitzern bringt während um einen herum Bäume in jeglichem Grün und unzählige Wildblumen aus der Erde ragen. Fantastisch!

Weiter ging meine Reise am Freitagmorgen, als der Himmel schon etwas trüber und nasser wurde. Ein Bus brachte mich von Bergen weiter Richtung Süden nach Stavanger, wobei wiederum zwei Fähren zeitweise diesen Bus übers Wasser brachten – so läuft das eben in Norwegen. Nach Stavanger wollte ich ja hauptsächlich, um auf den Preikestolen, diesen megakrassen Felsen, der Steil aus dem Fjord hochragt, heraufzuwandern. Doch aus diesem ursprünglichen Plan wurde, ob der tropfenden Wetterlage  und der vernebelten Sicht, leider nichts. Dann eben ein andermal, schließlich lern ich ja nicht umsonst norwegisch, sondern um noch etwas öfter nach Norwegen zu kommen!

Stattdessen verbrachte ich dann den Nachmittag in Stavanger und das hat sich sehr gelohnt, die Stadt ist nämlich (sogar im Regen) ziemlich schön! Ich saß in einem der schönsten Cafés aller Zeiten, voll mit Büchern und Brettspielen und bunten Kissen und mit bemalten Wänden und knallbunter Außenfassade. Und ich lief kreuz und quer durch Gamle Stavanger, den alten Stadtteil mit den weißen Holzhäusern (die dürfen tatsächlich keine andere Farbe haben – dafür aber die Türen, und natürlich die Blumen am Wegesrand). Und bin durch die ebenfalls kopfsteinbepflasterten Straßen des Kulturhus gebummelt. Zwar hatte der Legostore (genau wie das Konservenmuseum in der Altstadt) schon zu, aber wie es der Zufall so will fand ich beim Der-Nase-nach-Abbiegen das schönste Geschäft der Welt, in dem ich zwar den Klamotten grade so widerstehen konnte, aber nicht dem Tee und auch nicht dem reduzierten Geschirr – weshalb ich mich in vier Wochen mit der Aufgabe konfrontiert sehen werde, eine Teetasse heil im Flugzeug nach Hause zu kriegen!

Auch in Stavanger bin ich couchgesurft, bei Rune, der relativ zentral lebt und abends noch ein paar Freunde zu Besuch hatte, so dass wir einen sehr schönen Abend mit guter Musik, Fotosgucken, Rotwein und Gesprächen über kleine Käffer in Südwestdeutschland hatten. Und wie immer bin ich nachts um halb 3 aufgewacht, als es anfing, hell zu werden. Nein falsch, es wird ja nichtmal richtig dunkel. Daran muss man sich wirklich gewöhnen!

Am nächsten Morgen spazierte ich dann nochmal durch ein trockenes Stavanger zum Bahnhof, von wo aus mich ein Zug in etwas über 8 Stunden zurück nach Oslo brachte und somit quasi den Kreis vollendete, in dem ich einmal durch komplett Südnorwegen und durch wunderschönste Natur gefahren bin. Macht insgesamt eine Menge Stunden in öffentlichen Verkerhsmitteln, aber um es mit Goethe zu sagen (und gleichzeitig auch mit einem Zitat wieder abzuschließen):

„Man reist nicht nur, um anzukommen, sondern vor allem auch, um unterwegs zu sein.“

17. Juni 2013

Ankomst

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 20:21

Überpünktlich bin ich heute Vormittag nach einem komplett verschlafenen Ryanairflug in Oslo-Rygge gelandet, von wo aus Marlis und ich über eine der wenigen Autobahnen dieses Landes (Tempolimit 100 km/h, da sag mal einer, Sigmar Gabriel hätte komische Vorstellungen) nach Drøbak, ein kleines Städtchen an der engsten Stelle des Oslofjords, gefahren sind. Dort waren wir am kleinen Hafen (irgendwo in dieser kleinen Fjordenge liegt auch noch ein riesiges deutsches Kriegsschiff versenkt), in den niedlichen Gassen und im Julhus, DER Attraktion dieses Orts – ein ganzjährig geöffnetes Weihnachtsgeschäft, uaah. Achso, und passend dazu haben wir natürlich die Sonne genossen. DIE SONNE, es gibt sie! Und auch obwohl sie sich laut Wetterbericht in dieser Woche in Bergen nicht so oft blicken lassen wird – ich freue mich auf mehr! Auf noch mehr rote und weiße Holzhäuser und Elchschilder und Bahnfahren und Norwegisch lernen.

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16. Juni 2013

Like Franky said: I do it NOR-WAY

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 19:48

Seit gut einem Monat bin ich jetzt schon wieder im Saarland, nach meinem fast dreimonatigen Abenteuer in diesem wundervollen Land mit N. Nein, nicht Namibia und auch nicht Nordkorea, sondern Nepal. Aber richtig, es gibt auch andere tolle Länder mit N. Und in eines von ihnen startet morgen meine nächste Reise. Nein, wirklich nicht Nordkorea. Sondern Norwegen!

Für fünf Wochen werde ich also nun im Land der Trolle und Fjorde leben und norwegisch lernen. Und natürlich jeden, der es wissen will, mit Fotos und Berichten und Vokabeln versorgen! Jeg gleder meg! Und mein lieber kleiner Herr Elch freut sich schon darauf, endlich mal wieder in sein Heimatland zurückzukehren. Mal sehen, was wir beide da so erleben werden und wer von uns am Ende die Sprache besser kann…
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16. Mai 2013

Never Ending Peace And Love

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 11:58

Seit knapp zwei Tagen bin ich nun wieder zuhause, und auch wenn ich mit Sicherheit noch ein bisschen Zeit brauchen werde, kam ich schon ein bisschen zum Reflektieren und Realisieren.

Vor fast drei Monaten habe ich Deutschland im Schnee verlassen, nun komm ich zurück und über saftig grünem Gras und leuchtend gelbem Raps hängen Regenwolken. Aber nicht nur die Landschaft hat sich verändert – auch ich bin eine andere. Und es fällt mir noch etwas schwer, mich wieder mit Deutschland zu arrangieren. Mit den asphaltierten Straßen, den großen und geschmacklosen Bananen, den hektischen, gestressten, gleichgültigen Gesichtern, dem warmen Wasser in der Dusche.

Ich habe in Kathmandu gelebt. Einer lauten, vollen, staubigen, bunten Stadt voller Menschenmassen, von denen doch jeder einzelne seinem ganz persönlichen Schicksal hinterherrennt. Einer Stadt, die gerade in ihrem wundersamen Chaos ihren Charme versteckt hält, ob im Tuktuk oder auf dem Markt in der Old Town.

Ich habe in Pokhara gelebt, am Fuße der höchsten Berge dieses Planeten, habe die Kinder Nepals kennengelernt, einige meiner Ängste überwunden und mich der einzigartigen Vermischung der Kulturen gestellt.

Ich habe in Chitwan gelebt und bin bei 40 Grad im Schatten auf gemütlich trottenden Elefanten durch den Dschungel gestreift, auf diesen wunderbar sensiblen und fantastischen Tieren.

Ich habe in Gaujini gelebt, fernab von allem, was sich Zivilisation und Stress schimpft, dort, wo die Natur noch wahrhaftig ist und die Häuser Spuren der Hände tragen, die ihren Lehm geformt haben.

Und nun soll ich plötzlich wieder in Deutschland leben, wo mich nur sehr selten ein unbekannter Mensch zum Tee einlädt und die Autos viel zu neu und zu leer sind? Wo man mit Salz und Pfeffer würzt und keinen Gewürztee trinkt? Wo alle Leute um mich herum ihren geregelten Tagesabläufen nachgehen und selten anhalten, um mal zu staunen?

Gut, ich werd’s versuchen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass in mir dann ein Stück Nepal weiterlebt. Ich werd mit Masala und Chili kochen, ich werd lächeln, ich werd Gebetsfahnen aufhängen und ich werd träumen.

Von all den Reisen, die noch kommen.

Danke Nepal, du warst das erste in einer ganzen Reihe von Ländern, die es noch zu entdecken gilt!

7. Mai 2013

Deine Welt sind die Berge

Filed under: Uncategorized — victoriamehl @ 14:15

Die letzte Woche habe ich in Gaujini verbracht, einem kleinen Bergdorf im District Nuwakot, 30 Kilometer von Kathmandu aus in den Bergen um das Tal. Dort hatten Bonnie und ich den Auftrag, beim Farmingprojekt von Karmalaya nach dem Rechten zu sehen und das Kinderheim, das Gabi dort gegründet hat, ins Laufen zu bringen.

Über unsere Arbeit dort will ich jetzt garnicht so viel erzählen, nur dass wir bei Null anfangen mussten. Die beiden Geschwister Samir und Amir, die schon in Gaujini wohnen, bleiben erstmal noch auf der Farm und können noch nicht ins Heim ziehen, da an dem Haus noch sehr viel mehr zu tun ist, wie usprünglich gedacht. So haben wir die ersten zwei Tage erstmal mit Putzen verbracht, in einem halbdunklen dreistöckigen Lehmgebäude, mit 60 Zentimeter langen, stiellosen Besen aus Stroh. Renovieren in Nepal hat nicht im Entferntesten etwas mit Renovieren in Deutschland zu tun. Aber lieber Papa – du hättest berufsbedingt deine Freude in diesem Haus! Opa – du in seinem Vorgarten, in dem ich so lange Unkraut gerupft hab, bis die Sehnen meiner Unterarme es mir gedankt haben.

Das Kinderheim ist ein völlig neues Projekt und soll auch möglichst unabhängig und als Non-Profit-Organisation laufen. Samir und Amir, die beiden Jungs im Alter von 12 und 9, sind bisher die einzigen Kinder dort. Sie kommen ursprünglich aus dem Everest-Gebiet, sind aber nach dem Selbstmord des Vaters mit ihrer Mutter nach Kathmandu gezogen, wo diese einen neuen Mann kennengelernt, ihre Kinder vernachlässigt und sich schließlich ebenfalls selbst getötet hab, wohl sogar versucht hat, die Kinder mitzureißen. Mit dieser Geschichte im Hinterkopf hat es mich umso mehr bewegt, dabei zuzusehen, wie unbeschwert die beiden sich eingewöhnt haben und wie ausgelassen sie mit dem Kindern aus dem Dorf spielen. Nur der Ältere, Samir, scheint noch mehr Erinnerungen zu haben und trägt öfter ein ernstes Gesicht als sein wilder kleiner Bruder.

Die Farm und das Dorf sind eine Ausgeburt an Abgeschiedenheit. Schon daran erkennbar, wie abenteuerlich die Fahrt dorthin war. Für die knapp 30 Kilometer haben wir einige Stunden gebraucht, nicht gerade die angenehmsten meines Lebens. Da wir zwei große Truhen voller Material transportieren mussten, hatten wir einen privaten „Jeep“ gemieten, der sich als Kleinlaster herausgestellt hat. Und kaum waren wir im Shivapuri Nationalpark, sind wir rechts abgebogen und die nächsten Stunden auf einer Geröllpiste voller Schlammpfützen und Schlaglöcher und Sandhaufen sondergleichen gefahren, links von mir und manchmal für meine Nerven etwas zu nah der Abgrund. Irgendwann konnte ich mich auch nicht mehr auf das Himalaya-Panorama konzentrieren, auf das man ab und zu durch das grüne Dickicht des Dschungels einen Blick erhaschen konnte, sondern musste mich anstrengen, mit dem mittleren Schädelhirntrauma durch das Auf und Ab klarzukommen. Ganz zu schweigen von den unzähligen Malen, die mein Kopf an den Fensterrahmen neben mir geballert ist. Auch mein restlicher Körper hat der Schwerkraft tapfer getrotzt und ist des öfteren vom Sitz hoch gehüpft. Mein Gott, war ich froh, als wir endlich da waren.

Das Dorf erstreckt sich über den halben Hügel, wir mussten wieder 10 Minuten den Hang hinabkraxeln, an Feldern und Ziegenställen vorbei und durch andere Innenhöfe bis zu dem Lehmhaus, in dem die Volunteers der Farm und eben momentan auch die zwei Kids mit den Koordinatoren wohnen.

Abends durften wir immer in der Küche helfen und nun kann ich WIRKLICH nepalesisch kochen. Das Highlight waren die Samosas gestern. Da sitzt man in einer halbdunklen nepalesischen Lehmküche auf Strohmatten und füllt kleine Teigtaschen, die man anschließend auf dem Feuer frittiert, dazu mörsert man ein scharfes Tomatenpickle, kocht noch Curry für den Reis. Und weiß, da draußen ist nichts als Idylle, nichts als Ruhe, nur 30 Kilometer weg vom Staub einer Millionenstadt. So weit das Auge reicht ein Hügel nach dem anderen, überall Terassenfelder, einfache Menschen, wundervolle Menschen.

Und der Sternenhimmel. Abends hebt man einmal kurz den Kopf und blickt in den üppigsten, funkelndsten Sternenhimmel, vollkommen frei von künstlichen Lichtquellen weit und breit, auch keinerlei unnatürliche Geräusche. Nur das Knistern des Feuers und das Zirpen der Grillen und das Echo der Vögel, das von den stockdunklen Bergen widerhallt, deren kleine verstreute Lichter nahtlos in den Sternenhimmel übergehen. Diese Atmosphäre lässt sich nicht in einem kleinen Blogartikel einfangen, egal wie sehr ich es versuche.

Und gestern Morgen wartete dann eine weitere einmalige Gelegenheit auf uns: im Dorf (25 Minuten Fußmarsch durch die Felder und Siedlungen – wie gesagt, der halbe Hügel) wurde geheiratet. Hochzeit in Nuwakot, so heißt doch auch dieses Lied… jedenfalls wohnte das ganze Dorf der Zeremonie bei, und so durften auch wir europäischen Volunteers bei einer nepalesischen Hochzeit zuschauen (manchmal hatten wir den Eindruck, wir wären die größere Attraktion). Über dem Brautpaar steht ein mit Blumen geschmückter Baldachin, auf dem Boden liegen etliche Opfergaben (zum Beispiel Selroti, diese leckeren frittierten Teigkringel), nebenan spielt eine kleine Musikkapelle auf abgefahrenen Instrumenten tolle Liedchen, die klingen, wie trötende Elefanten. Nur das Brautpaar sieht leider nicht so glücklich aus, vor allem die Braut hebt die ganze Zeremonie über den Blick nicht vom Boden. Gerade auf dem Dorf hat die Frau wohl wenig Mitspracherecht, allgemein werden die meisten Ehen in Nepal arrangiert. Da geht dann eben mal der Mann mit seiner Mutter auf Brautschau. Man darf schon mit aussuchen, aber wirkliche Liebesheiraten gibt es wohl eher selten. Allerdings stecke ich da ja auch nicht drin, woher soll ich das also wissen?

Gestern Nachmittag sind Bonnie und ich dann nochmal mit Alex und Pat (insgesamt sind im Farmingprojekt gerade 3 Jungs) Felder runtergehüpft und gekraxelt und in einer kleinen Lagune rausgekommen, in der man sich sofort wie im Dschungel fühlte. Der Fluss rauscht nebenan vorbei, und über uns sind Wasserfälle. Große braune Schmetterlinge fliegen vorbei, während das Wasser und die Steine vom Licht der Sonne glitzern, die durch die grünen Blätter fällt. Egal um welche Ecke man in Nepal geht – man weiß nie, wie es dort aussieht. Der Wahnsinn!

Nach einer spannenden, idyllischen, gleichzeitig ob der langsamen Fortschritte im Waisenhausprojekt und der bistarai-Arbeitsmoral gefühls- und gedankenmäßig wechselhaften Woche ging es dann heute mit dem Bus wieder zurück nach Kathmandu. Liebe besorgte Familie, seid froh, dass ihr das erst jetzt lest, wo ich schon wieder heil auf der Terasse des Volunteerhauses sitze, auf der ich mich nur schwer verletzen kann. Der Bus war vollgestopft mit Menschen, Reissäcken und einer Ziege, wir sind fröhlich am Abgrund entlang gewackelt, mussten ständig anhalten und den Weg umgraben, damit wir nicht steckenblieben. Aber erstaunlicherweise war die Fahrt viel angenehmer und „balancierter“ als der Hinweg, wahrscheinlich weil das schiere Gewicht der ganzen Lebewesen im Bus und auf dessen Dach uns vom Hüpfen abgehalten hat. Wir haben dann auch mal schön fünfeinhalb Stunden für den Weg gebraucht und wurden dann von Arun mit dem Motorbike abgeholt. Drei Leute, 2 Rucksäcke, 2 Schlafsäcke, 2 Taschen, eine Tüte mit Dokumentationskram vom Waisenhaus und eine Tüte mit Honig frisch aus Gaujini für Ama auf einem Motorbike, ab durch Basundhara. Oh, wie schön ist Nepal!!!!

Tja, und schon bin ich wieder in Kathmandu, unserem Basislager, wie die liebe Edda immer zu sagen pflegte. Und dies war erstmal meine letzte Rückkehr in dieses Basislager, denn in ein paar Tagen fliege ich wieder um den halben Planeten. Lasst mich damit erstmal klarkommen.

Oh, und bitte unten weiterlesen, da ist noch ein zweiter neuer Artikel!

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